Vom Spitzensport lernen: Interview mit Peter Perchtold | Co-Trainer der österreichischen Nationalmannschaft

Vom Spitzensport lernen: Interview mit Peter Perchtold | Co-Trainer der österreichischen Nationalmannschaft

Wer beruflich und privat große Herausforderungen meistern muss und seine Ziele erreichen möchte, benötigt eine gute Erholungsfähigkeit zwischen den Leistungsphasen.

Es lohnt sich daher, einen Blick in den Profi-Sport zu werfen, wo schon seit langem nicht mehr nur auf die Effektivität des Trainings Wert gelegt wird, sondern auch auf die mentale und körperliche Gesundheit der Sportler:innen.

Welche Maßnahmen dazu ergriffen werden, welche Rolle dabei die Individualität spielt und welche Tricks wir vom Fußball auf den Business-Alltag übertragen können, hat uns Peter Perchtold, amtierender Co-Trainer der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft und Ex-Fußball-Profi, im Interview verraten.

Fink & Fink: Agile Arbeitsformen und die Verschmelzung von Beruf und Privatsphäre erhöhen den Stresspegel in Unternehmen. Wer es nicht schafft, sich regelmäßig ausreichend zu erholen, verliert an Belastbarkeit, Kreativität und Entscheidungsfähigkeit. Welche Rolle spielt die Erholungsfähigkeit im Profi-Sport?

Peter Perchtold: Der Faktor Erholungsfähigkeit hat mittlerweile eine immense Bedeutung und ist letztendlich mitentscheidend für den Erfolg eines Vereins oder einzelnen Spielers. Die Belastungen im Spitzenfußball sind inzwischen derart hoch, dass es ohne absolute Professionalität auf diesem Gebiet unmöglich ist, konstant auf diesem Level zu performen.

 

Fink & Fink: Wer kontinuierlich mehr Energie verbraucht, als er/sie z.B. nachts oder am Wochenende wiederaufladen kann, wird krank. Was tut Ihr, um zu vermeiden, dass Sportler über ihre Grenzen hinaus trainieren/spielen und dabei ausbrennen?

Peter Perchtold: Als Trainer versucht man, die Belastung bestmöglich zu steuern. Für mich ist es wichtig, eine gute Balance zu finden – Abwechslung zu bieten und den Spielern dennoch eine gewisse Sicherheit im Sinne von Kontinuität zu gewährleisten.

 

Fink & Fink: Erfahrungsgemäß sind Energiequellen und Energieräuber hochindividuell. Welche Rolle spielen die individuellen Voraussetzungen der Sportler bei der Trainings- und Regenerationsplanung?

Peter Perchtold: Fußball wird immer individueller. Sowohl das Training als auch die Regeneration finden mittlerweile regelmäßig in Kleingruppen oder gar einzeln statt. Aufgrund des Alters, der Krankengeschichte oder der jeweiligen Situation ist jeder Spieler auch als Einzelsportler zu betrachten. Da auf dem Feld die Anforderungen an gewisse Positionen stark abweichen, ist dies auch zwingend notwendig. Mittlerweile verfügen Trainerteams auch über die personellen Kapazitäten, um dies gewissenhaft abzuwickeln und jeden Spieler einzeln zu bedienen.

 

Fink & Fink: Am Ende einer anstrengenden Arbeitsphase z.B. noch eine wichtige Abschluss-Präsentation zu halten, ist herausfordernd. Wie sorgt Ihr dafür, dass nicht schon vor den Spielen unnötig Energie verloren geht, sondern die Spieler auf den Punkt voll leistungsfähig sind?

Peter Perchtold: Letztendlich ist dies die Frage aller Fragen, wofür es sicher nicht die eine, richtige Antwort gibt. Meine Erfahrungen haben gezeigt, dass es sportlich durchaus sinnvoll sein kann, die Belastung innerhalb einer Woche mindestens einmal komplett herunterzufahren und den Spielern die Möglichkeit zu geben, sich körperlich und mental zu erholen. Auch den Trainern selbst schaden entspanntere Momente keineswegs, um aufzutanken und neuen Fokus und Spannung aufzubauen. Viele Überlegungen diesbezüglich betreffen auch die allgemeine Organisation innerhalb einer Trainingswoche. Beim Nationalteam in Österreich haben wir beispielweise bestimmte Zeitslots für die jeweiligen Essenszeiten eingeführt. Somit kann jeder Spieler seinen Tag individuell gestalten. Das entspannt den Tag spürbar für alle Beteiligten und verhindert zudem sinnlosen Energieverlust für nebensächliche Dinge, da eine Verspätung quasi unmöglich ist und der Spieler seinen Rhythmus auch im Mannschaftsumfeld weitgehend leben kann.

 

Fink & Fink: Was kann man von diesen Erkenntnissen im persönlichen Alltag nutzen?

Peter Perchtold: Das Maß ist immer entscheidend. In der Regel geht es im Fußball wie auch im wahren Leben darum, eine gewisse Balance zu finden. Einen individuellen Mix aus Neuem und Bekannten, aus Sicherheit und Weiterentwicklung. Und auch Liebe für sich, sein Umfeld und das, was man tut.

 

Fink & Fink: Auch Du musstest in Deiner Profi-Karriere mit zahlreichen stressigen Situationen umgehen. Was hat Dir persönlich geholfen?

Peter Perchtold: Grundlegend ist es wichtig, sich seinen Ängsten zu stellen. Ich bin überzeugt davon, dass die innere Einstellung zu sich selbst der Schlüssel für den Umgang mit Stress und Druck ist. Dies ist sicherlich auch eine Entwicklung, die Jahre andauert und mit der Lebenserfahrung einhergeht. Ein wirkliches Rezept hatte auch ich nicht. Hin und wieder tat es gut, sich abzulenken. Am meisten halfen gute Leistungen der Vorwoche bzw. Selbstvertrauen. Im Spiel selbst war es für mich elementar mit positiven Aktionen zu starten. Dies gelingt im Sport mit einem Gegner leider nicht auf Knopfdruck, allerdings macht es schon Sinn, den Fokus auf bekannte Abläufe zu legen oder sich zu Beginn eines Spiels darauf zu konzentrieren, was man kann.


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